Mailand Skala
Die Mailänder Skala

Von den Seealpen sind wir über Turin nach Mailand gefahren. Dort fand an diesem Tag irgendein europäisches Gipfeltreffen statt. In der Stadt wimmelte es nur so vor Staatskarossen. Aus einer winkte uns Genscher entgegen. Um den Dom herum stand ein Bauzaun. Das war bei meinem Paris-Besuch zuvor schon so, dass die Hauptsehenswürdigkeit gerade renoviert wird, und das ist bis heute eigentlich auch so geblieben.

Die Mailänder Skala haben wir uns natürlich (von außen) angeschaut, wir waren in einer teuren Passage (es müsste die Galleria Vittorio Emanuele II) gewesen sein.  Ansonsten ist von Mailand nicht allzu sehr viel im Gedächtnis haften geblieben, außer, dass sich auf der Zugfahrt von Mailand nach Rom die Top-Story der Tour zugetragen hat. Und die kommt jetzt:

In unserem Nachtzug hatten wir es wieder einmal geschafft, unser eigenes Abteil für uns zu blockieren. Wir konnten die Sitze ausziehen und uns in unsere Penntüten legen. Im Morgengrauen betrat ein Italiener das Abteil und bat mich darum Platz nehmen zu dürfen, da sonst nichts mehr frei sei im Zug. Mein Freund Thomas schlief noch, also schälte ich mich aus dem Schlafsack. Richtig war ich auch noch nicht, und seine Laberei ging mir gewaltig auf den Sack. Dann bot er mir eine Praline (von Ferrero, ich weiß es noch ganz genau) an. Ich fragte ihn, was um Himmelswillen ich in Allerhergottsfrühe denn mit Schokolade solle. Er meinte, dass Kaffee drin sei und man davon wach werde. Genervt griff ich zu.

Wach geworden bin ich dann auch. Allerdings später. Viel, viel später. Unser Zug stand bereits auf dem Abstellgleis. Als ich die Augen öffnete, war Thomas in voller Panik. Thomas hatte mir bereits Wasser über den Kopf geschüttet und mich Schlägen und Tritten malträtiert um mich wach zu bekommen. Alles hatte nicht geholfen. Ich verstand seine Aufregung nicht, nahm meinen Schlafsack und verließ den Zug. Thomas verfolgte mir mit zwei Rucksäcken und dem restlichen Gepäck. Draußen fiel ich erstmal gegen eine Säule, sackte zusammen und pennte weiter. Als ich erneut wach wurde, machte Thomas wieder Stress. Er wollte mich zu einem Arzt bringen. Ich meinte nur, er ticke nicht mehr sauber und er solle doch bitteschön alleine weiterreisen. Ich musste jedenfalls mal pissen und hatte keinen Bock auf dieses Geschwafel. Ich ließ alle meine Sachen zurück und bahnte mir einen Weg zum nächsten Bahnhofsklo. Thomas, mit all unseren Klamotten hinter mir her.

Mailand Dom
Der Mailänder Dom mit Bauzaun

Ich habe mich erstmal lang in die Pissrinne gelegt. Thomas war der Verzweiflung nahe. Und irgendwie hatte er es dann auch geschafft, mich durch eine Tür zu drücken. Dahinter praktizierte der Bahnhofsarzt. Ich musste zahlreiche Untersuchungen über mich ergehen lassen, ratzte aber zwischendurch immer wieder ein. Als ich wieder mal wach wurde hörte ich, wie der Arzt zu meinem Kumpel sagte, ich hätte einen Sonnenstich. Da stand ich plötzlich senkrecht. "Haben sie dir eigentlich ins Gehirn geschissen, oder was?", ranzte ich den Doc an. "Sonnenstich!? Bescheuert! Wir sind die ganze Nacht Zug gefahren! Woher bitteschön soll ich einen Sonnenstich haben? Das einzige, was ich gemacht habe, ich habe ein Stück Schokolade gegessen." Fragt mich nicht, wieso mir in diesem Moment die Praline einfiel. Aber bei dem Wort Schokolade bekam der Mediziner die Erleuchtung. Er griff sofort zum Telefonhörer. Ein paar Sekunden später standen zwei Bullen in der Praxis. Die trugen mich dann aufs Revier. Thomas kümmerte sich um unser Gepäck. Wer auch sonst? War ja sonst keiner da.

Die Bullen platzierten mich auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch. Dahinter saß der Oberbulle und wollte ein Protokoll aufnehmen. Ich war aber noch müde und schlief zunächst noch ne Runde. Als ich wach wurde, hatte ich fürchterlich Durst. Ich verlangte eine Cola. Mit dem ersten Griff nach der Flasche verschüttete ich die ganze Brühe über den Schreibtisch. Der Oberbulle war nicht sonderlich angetan. Ich verlangte eine neue Flasche. Auch der Inhalt der zweiten Flasche ergoss sich wenig später über die polizeilichen Unterlagen. Der Oberbulle war jetzt mächtig böse und ich bekam nichts mehr zu trinken.

Stattdessen fertigten wir das Protokoll. Meine Täterbeschreibung lautete damals ungefähr so:"He had blue socks with a little bit of white." Ich konnte mich nur an die blauen Socken mit den weißen Punkten erinnern, und mein Englisch war damals eher schlecht. Aber sie haben ihn gefasst. Ich wurde tatsächlich zwei Jahre später zu einer Gerichtsverhandlung nach Montepulciano als Zeuge zum Gerichtsprozess vorgeladen. 

Rom
Viel habe ich von Rom damals nicht mitbekommen.

Deutsche Botschaft! Ich bin im Ausland überfallen worden, also musste ich mich an die Deutsche Botschaft wenden. Schließlich wurden mir 360 DM geklaut. Der Täter war aber irgendwie okay. Ausweis und Postsparbuch samt Karte hatte er mir gelassen. Dennoch, ich musste zur Deutschen Botschaft. Wir also quer durch Rom zur Botschaft. Wer die Rucksäcke getragen hat, muss ich hier nicht verraten. Ein Butterbrot haben sie uns angeboten in der Botschaft. Sonst nichts! Geld wollten sie uns nicht geben. War irgendwie für den Arsch, der Besuch.

Gleich um die Ecke gabs ein Straßencafe. Auf den Tischen standen 1l-Maßkrüge. Da musste mal einfach mal einen Halt machen. Thomas war nicht begeistert von der Idee. Er robbte auf dem Zahnfleisch. Er hatte den ganzen Tag Gepäck für zwei getragen, und eine Unterkunft hatten wir auch noch nicht. Ich drohte ihm nochmal an, nötigenfalls die Reise alleine fortzusetzen für den Fall, dass er sich weiterhin so spießig benehmen würde. Also zogen wir uns ein paar Maß rein und die Welt war wieder gut.