Ich lebte damals noch im Mönchengladbacher Stadtteil Neuwerk, dort, wo ich aufgewachsen bin und noch zum Gymnasium ging.

Geldprobleme kannte ich damals nicht. Ich lebte noch zuhause, bekam Taschengeld von meinen Eltern, und meine Oma lebte noch. Geizig ist die nie gewesen. Zusammen mit meinem damaligen Klassenkamerad Armin R. betrieb ich unter der Hand ein florierendes Werbeunternehmen. Ja, man muss das wirklich so sagen! Wir verteilten damals in Neuwerk und darüber hinaus Prospekte. Wir waren bekannt vor Ort, und es war so, dass wir die Preise bestimmten. 2 Pfennig für DIN A5 und 3 Pfennig für DIN A4. In der Regel bedienten wir mehrere Kunden gleichzeitig auf einer Tour. Unter 10 Pfennig pro Briefkasten sind wir selten losgegangen. Das Schwesternheim vom Krankenhaus Neuwerk hatte mehr als 100 Briefkasten, und so waren die ersten 10 Mark immer schon nach ein paar Minuten verdient. Von unserem Stundenlohn hätte damals nicht nur ein Facharbeiter geträumt. Und es war steuerfrei. Wer interessierte sich schon für uns Schüler.

Samstags mittags habe ich für ein Industriereinigungsunternehmen bei Monforts Maschinen geputzt. Bezahlt wurde nach Stücklohn. Das kam ganz schön was rein.

Und dann war da noch der Job in der Ratsstube. Der Kroate Petar M. aus Sinj betrieb dieses jugoslawische Restaurant in unserem Dorf. 50 DM bekam ich vom Chef pro Abend und im Schnitt 30 Mark Trinkgeld, und zwei Abendessen pro Schicht und frei Saufen. Dreimal pro Woche kellnerte ich dort, und wenn ich Kohle brauchte auch öfters. Petar war meistens froh wenn ich da war und er nicht arbeiten musste.

Es war die Zeit, in der es die meisten Klassenkameraden in die Gladbacher Altstadt zog. Während diese ihr Geld dort ließen, stand ich hinter der Theke und bekam noch Geld fürs Trinken.

Mein Freund war natürlich auch meistens da, wenn ich hinter der Theke stand. Ich machte natürlich höchstens bei jedem dritten Bier einen Strich auf seinen Deckel. Petar wusste das ganz genau, aber das war okay für ihn. Petar war ein super korrekter Typ, jedenfalls seinen Freunden gegenüber. Irgendwann war er dann mal bei einer Nacht und Nebel Aktion aus Neuwerk verschwunden und die Ratsstube hatte zu. Am Abend zuvor hatte er noch das ganze Inventar an die Stammgäste verschenkt.

Es war an einem Sonntag im Frühsommer 1985. Ich kellnerte und Thomas D. saß da, wo sonst alte Peter von Haus saß. Es war wieder mal nicht voll wie brechen (O-Ton Petar M., bedeutet übersetz: es war nicht brechend voll). Petar gab mir wie so oft den Auftrag, mit Jochen E. und einem weiteren Gast um Bier zu tuppen, um denen die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Wir hatten das Thema Urlaub, und ich kam auf die glorreiche Idee, eine Interrail-Tour zu machen.  Thomas D. winkte ab, ihm fehlte natürlich die Kohle dazu. Wir überschlugen, wie viel Geld man dafür brauchen würde. 1.000 DM sollten es schon sein. Thomas D. zählte nach und stellte fest, dass ihm noch 3 Mark für ein Päckchen Drum fehlten.

Ich wollte weg, also habe ich ihm die 1.000 DM geliehen.  Ich wusste natürlich, dass ich sie nie wiedersehen würde. Aber darum ging es nicht! Wenige Tage später sind wir gemeinsam in den Zug gestiegen und haben zusammen eine tolle Tour erlebt. Darum ging es. Um nichts anderes.