Was soll ich sagen? Nein! Eine schöne Stadt ist São Paulo auf den ersten Blick nun wirklich nicht!

Eigentlich bin ich ja gerade auch nur rein zufällig hier. Wann kommt man schon mal für 325 EUR nach Brasilien? Nun ja, die meisten bekannten Städte haben ja ihr Wahrzeichen, und wenn man als Touri gar nicht weiß, wo man hin soll, dann sucht man eben dieses als erstes auf.

São Paulo hat kein Wahrzeichen. Jedenfalls kenne ich es nicht. Also gehe ich heute morgen los, um zunächst die Umgebung meines Hotels bei Tageslicht zu checken. Und tatsächlich: gleich an der Metro-Station gibt es eine Touri-Info. Das Mädchen hinter der Theke macht einen erschrockenen Eindruck auf mich. Ich glaube, sie hat seit der WM keinen europäischen Touri mehr gesehen. Immerhin, sie ist bislang das einzige Wesen hier in Brasilien, mit dem man sich auf Englisch unterhalten kann.

Was man denn an einem Tag so machen könne in São Paulo, frage ich sie. Daraufhin schüttet sie mich mit Prospektmaterial zu. Auf der Rückseite eines Stadtplans steht (ich habs schon bei Facebook gepostet): 110 Museen, 97 Kulturzentren, 80 Parks und Grünflächen, 181 Theater, 287 Kinos, 7 Fussballstadien, 12.500 Restaurants, 15.000 Bars und Nachtclubs, 80 Einkaufszentren und 240.00 Geschäfte.

Wow! Ich verlasse die Touri-Info ich verwirrter als zuvor. Wo fängt man da an? Ich gehe einfach los. Keine Metro, kein Bus, kein Garnix! Morgens habe ich noch überlegt, einen weiteren Tag in São Paulo dranzuhängen. Spätestens am Nachmittag ist mir klar, dass das keinen Sinn ergibt. Ich habe quasi Null von der Stadt gesehen. Und da zweimal Null bekanntlich auch Null ist, würde sich daran auch nichts ändern, wenn ich einen weiteren Tag bleiben würde.

Nein! Schön ist São Paulo auf den ersten Blick nicht. Aber hochinteressant! Ich bin mir sehr sicher, dass man dieser Stadt Unrecht tut, wenn man sie nach nur einem Tag wieder verlässt. Hier pulsiert das Leben! Hier geht was ab. Ich wünschte, ich hätte die Zeit dazu, mich auf diese City einzulassen. Geht leider nicht. Schade! 

Ich wollte doch eigentlich wenigstens ins Fußballmuseum oder auf eines dieser Hochhäuser, um einen Rundumblick auf die Stadt genießen zu können. Nichts habe ich geschafft. Ich bin nur gelaufen. Sitzen ist in São Paulo so gut wie unmöglich. Bänke gibt es nicht. Vielleicht liegt das an den Obdachlosen. Meine Güte! Ich habe heute mehr Obdachlose gesehen, als in meinem ganzen Leben zusammen. Der Snob unter den Obdachlosen hatte sogar ein Zelt und campierte direkt auf der Av. Paulista, sozusagen der Kudamm von São Paulo. Soviel Armut hätte ich im Stadtzentrum in der Tat nicht erwartet.

Das Polizeiaufgebot in der Innenstadt ist nicht zu übersehen. Die Fahrzeuge sind größtenteils gepanzert. Selbst die Security-Mitarbeiter an den Parkhauszufahrten tragen teilweise schusssichere (neue deutsche Rechtschreibung: fürchterlich) Westen. Ich nehme zurück, was ich im letzten Artikel geschrieben habe. Erhöhte Wachsamkeit ist angesagt, übertriebene Angst und Vorsicht jedoch nicht.